Was sind Förderkreise?

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Warum gibt es Förderkreise (FK)?

Die sieben deutschen Förderkreise setzen sich für weltweite Solidarität und soziale Gerechtigkeit ein. Sie leisten entwicklungspolitische Bildungsarbeit und bieten die Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Oikocredit Studienreise - Begegnungen in Bolivien

Oikocredit Studienreise - Begegnungen in Bolivien

17. Juni 2014

Bayerischer Teilnehmer Thomas Müller erzählt von Menschen und Mikrofinanzierung

Thomas Müller hat für Oikocredit Bayern an der internationalen Studienreise im Mai 2014 nach Bolivien teilgenommen. 

Du bist zum ersten Mal in ein lateinamerikanisches Land gereist. Was ist dir zu Anfang besonders aufgefallen?
Als ich in Santa Cruz, am Übergang vom Regenwald zur Hochebene Altiplano gelegen,  früh um 4 Uhr ankam, war es überraschend heiß und tropisch. Von meinem Zimmer im achten Stock konnte ich den beginnenden Berufsverkehr und viele Hochhäuser mit Werbetafeln großer Konzerne sehen. Bei der ersten Besichtigung von Santa Cruz stellte ich fest, dass es kaum Ampeln gibt. Und wenn, dann werden sie nicht beachtet.  Fußgängerüberwege sind für Autofahrer ebenfalls Luft.
Die Straßen sind voll mit kleinen Ständen und Kiosken, die  Getränke, Kaugummi aber auch historische Weltkarten anbieten.
Eine besondere Begegnung hatten wir mit Hermes, dem Schuhputzer. Er erzählt uns, dass die meisten Schuhputzer hier in einer Art Gewerkschaft organisiert sind, die für ihre Rechte eintritt. Er putzt auf dem Plaza 24 de Septiembre seit 25 Jahren bereits in der dritten Generation täglich unzählige Schuhe für 5 Pesos (ca. 50 Cent) das Paar. Bis zu 10 Euro verdient ein Schuhputzer damit  am Tag. Steuern muss er  dafür nicht zahlen. Verglichen mit anderen Regionen ist dies ein gutes Einkommen und liegt deutlich über der Armutsgrenze. Auch wenn es nicht viel ist, es reicht zum „Überleben“, sagt Hermes. 

Oikocredit arbeitet seit 1987 in Bolivien. Das Land steht an zweiter Stelle weltweit, was die vergebene Kreditsumme betrifft. Was sind die besonderen Chancen und Herausforderungen in diesem Land?
Bolivien ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas mit einem hohen Anteil indigener Bevölkerung. Es ist nach wie vor wichtig, dass es ausländische Finanziers wie Oikocredit gibt, v.a. für kleinere Organisationen und Unternehmen. Diese bekommen kein Geld von den dortigen Geschäftsbanken.  So erging es auch der Kakaobauerngenossenschaft EL CEIBO, dem ersten Partner von Oikocredit in Bolivien. EL CEIBO hat sich sehr gut entwickelt  und benötigt mittlerweile keine Finanzierungen mehr  von Oikocredit. Die Schokolade von EL CEIBO kann man  fast an jeder Straßenecke kaufen; sehr lecker!
Eine Herausforderung, besonders für Kredite im landwirtschaftlichen Sektor ist die Verschiedenartigkeit der Regionen in Bolivien. Da ist die Hochebene Altiplano mit ihrem rauen Klima, schwierig zu bewirtschaften, die wenig fruchtbaren Böden bringen wenig Ertrag. Subsistenzwirtschaft herrscht vor, angebaut werden überwiegend Kartoffeln und Quinoa. Im Kontrast dazu das fruchtbare Tiefland. Große fruchtbare Flächen erlauben einen Einsatz von größeren Maschinen. Hauptanbaufrüchte sind dort Reis, Mais, Soja und Bohnen.

Themenschwerpunkt der Reise war Mikrofinanzierung. Du hast die Mikrofinanzorganisation Crecer besucht. Was hast du dabei über Mikrofinanzierung erfahren?
Spannend war für mich das Modell der Dorfbanken hautnah zu erleben. Wir durften an der  Sitzung der Kreditgruppe „Ahorro y Credito 2“ (Sparen und Kredite 2) in einem „Dorf“ am Titicacasee teilnehmen. Die Gruppe aus acht Frauen und zwei Männern existiert seit mehr als 20 Jahren und organisiert sich selbst. Die Schatzmeisterin Pacesa Paucara nahm die Rückzahlungen aller Gruppenmitglieder entgegen. Dann wurde das Geld gezählt und erst wenn der Betrag stimmte, an die Kreditsachbearbeiterin von Crecer weitergegeben. Vorher darf sich diese überhaupt nicht in das Treffen einmischen.   

Wie funktioniert bei Crecer im Allgemeinen die Vergabe von Kleinkrediten?
Crecer vergibt überwiegend Kredite an Gruppen. Diese müssen mindestens acht und höchstens 20 Mitglieder haben. Innerhalb der Gruppe wird der Kredit von Crecer nach Bedarf verteilt. Dabei ist festgelegt, dass der erste Kredit für ein Mitglied höchstens 5000 Bolivianos (ca 500 Euro) sein darf. Die Summe kann steigen.  Seit 20 Jahren erhält Ahorro y Credito 2 mindestens einmal jährlich Kredite von Crecer. Die Laufzeit bewegt sich zwischen sechs und zwölf Monaten, orientiert am Anbauzyklus der jeweiligen Früchte.
Denn Kreditnehmer sind vor allem Bauern, die Kartoffeln  und Oca, eine Art Süßkartoffel und zweitwichtigstes Grundnahrungsmittel, anbauen und zum Verkauf anbieten. Eine Frau stellt Käse her, eine andere Getränke und verkauft diese bei lokalen Festen. Nach dem Treffen wurden wir von den Mitgliedern der Gruppe zu einem „Apthapi“, einem Andenpicknik eingeladen und durften Kartoffeln und Käse probieren. Eine wunderbare Gelegenheit, um mit den KreditnehmerInnen ins Gespräch zu kommen. 

Welche weiteren Angebote macht Crecer ihren Kundinnen und Kunden?
Neben finanzieller Bildung sind Schulungen zu Gesundheit und Umweltbildung bei Crecer selbstverständlich. Sie gehören in der Regel zum Treffen der Kreditgruppen und werden von der Kreditsachbearbeiterin von Crecer durchgeführt. Wir nahmen an einer Schulung teil, bei der es um Bewusstseinsschaffung und Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs ging. Dieser ist weit verbreitet in Bolivien, die Rate ist fünfmal höher als in den USA. Neben der Aufklärung werden die Frauen motiviert, sich untersuchen zu lassen. Dafür arbeitet Crecer mit einem Arzt zusammen, der regelmäßig eine qualifizierte Untersuchung in der ländlichen Region anbietet. Er bekommt seine Anfahrt bezahlt und einen Raum für Untersuchungsgeräte im lokalen Krankenhaus gestellt. Die Untersuchung  kostet 50 Bolivianos (ca. 5 Euro), was zweieinhalb Flaschen Cola entspricht.  
Das bereits erwähnte neue Bankengesetz bringt allerdings Probleme für die Schulungen von Crecer. MFI sollen nur noch finanzielle Dienstleistungen anbieten dürfen. Deshalb werden die Schulungen wohl in eine eigens zu gründende Organisation ausgelagert müssen. 

Du kanntest die Arbeit von Oikocredit durch deine ehrenamtliche Tätigkeit im Förderkreis Bayern. Wie hat die Studienreise dein Bild davon beeinflusst?
Die Arbeit von Oikocredit ist sehr professionell, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hochkompetent. Das Modell, dass Oikocredit mit Partnern vor Ort zusammenarbeitet, habe ich als sehr sinnvoll erlebt. Von den Partnern wurde mir auch immer wieder zurück gemeldet, dass sie gerne mit Oikocredit zusammenarbeiten,  wegen des sozialen Fokus und der Leistungen über den Kredit hinaus.

Welche Person in Bolivien hat dich am meisten beeindruckt?
Ich kann keine spezielle Person nennen. Die Begegnungen mit den verschiedenen Klientinnen und Klienten hat mich sehr beeindruckt und es war interessant von ihrer Situation zu hören. Begeistert haben mich aber auch die Mitarbeiter von Oikocredit Bolivien. Die Studienreise war hervorragend organisiert, wir Teilnehmer aus Europa wurden fürsorglich betreut.

Was ist dein Resumée der Studienreise?
Für mich war es toll, vor Ort zu sehen, wie Mikrofinanzierung funktioniert. Und dass sie in einem armen Land wie Bolivien funktioniert, wie ich es am Beispiel des Dorfbankmodells am Titicacasee erfahren habe. Nach wie vor bin ich von der professionellen Arbeit von Oikocredit überzeugt.

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Kontakt

Oikocredit Förderkreis Bayern e.V.
Hallplatz 15-19
D-90402 Nürnberg
workT: +49 911 37 69 000
faxF: +49 911 37 69 002

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